- Schwerbehinderte
-
* * *
weibliche Person, die schwerbehindert ist.* * *
Schwerbehinderte,Menschen mit Behinderungen (Behinderte), die nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX), Teil 2 einem besonders geschützten und unterstützungsberechtigten Personenkreis angehören. Als schwerbehindert werden Menschen anerkannt, bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und die ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX (mit einer Abgrenzung des Arbeitsplatzbegriffes) rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Schwerbehinderten gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 30, die infolge ihrer Behinderung ohne diese Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Die im SGB IX zusammengefassten Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen beziehen sich in erster Linie auf die Integration in das Arbeitsleben und außerdem auf die Gewährung von Nachteilsausgleichen. Mit dem In-Kraft-Treten des SGB IX (1. 7. 2001) ist das Schwerbehindertengesetz, das Anfang der Achtzigerjahre konzipiert wurde, außer Kraft getreten.Menschen, die chronisch krank oder behindert sind, können einen Antrag stellen, um ihre Schwerbehinderung offiziell anerkennen zu lassen. Die zuständige Behörde (Versorgungsamt) prüft den Antrag und stellt das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft fest, wobei die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben gewichtet und berücksichtigt werden. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Absatz 3 SGB IX). Ein Schwerbehindertenausweis dient dem Nachweis für die Berechtigung, Leistungen und Unterstützungen in Anspruch zu nehmen.In Deutschland sind ca. 6,6 Millionen Menschen als schwerbehindert registriert. Das entspricht einem Anteil von rund 8,1 % der Bevölkerung. Der Anteil von Frauen und Männern ist annähernd gleich. 4,5 % der anerkannt Schwerbehinderten sind von Geburt an behindert. Mit fortschreitendem Alter steigt auch der Anteil der schwerbehinderten Menschen. Die weitaus meisten Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit, nämlich 86,2 %, die zu einer anerkannten Schwerbehinderung geführt haben, sind krankheitsbedingt. Zur Anzahl der Menschen, die zwar behindert, aber nicht als schwerbehindert mit einem GdB von mindestens 50 anerkannt sind, liegen keine exakten Daten vor. Schätzwerte gehen aber von einem Anteil behinderter Menschen von ca. 10 % an der Gesamtbevölkerung aus.Schwerbehinderte sind erhöhten Arbeitsmarktrisiken ausgesetzt. Behinderte Menschen sind häufiger und länger arbeitslos als Nichtbehinderte. Damit behinderte Menschen jedoch an beruflichen Qualifizierungen und Erwerbstätigkeit teilhaben können und sie dabei möglichst keine Nachteile aufgrund ihrer Behinderung in Kauf nehmen müssen, gibt es eine Vielzahl von absichernden Vorgaben und Regelungen, die fördern und schützen sollen. So sind private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen in Abhängigkeit von den jeweils aktuellen Arbeitslosenzahlen schwerbehinderter Menschen verpflichtet (Beschäftigungspflicht), 5 bzw. 6 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu besetzen (§§ 71 ff. SGB IX). Da eine derartige Beschäftigungsquote sowohl bei Unternehmen wie im öffentlichen Dienst häufig nicht erreicht worden ist, wurde schon seit langem eine Ausgleichsabgabe eingeführt. Diese ist monatlich für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz an das Integrationsamt zu zahlen und beträgt gestaffelt je nach Beschäftigungsquote zwischen 105 und 260. Die Mittel dürfen nur zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfen im Arbeitsleben (z. B. technische Arbeitshilfen oder die behindertengerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen) verwendet werden. Ein Teil der Mittel wird an einen Ausgleichsfonds für überregionale Fördermaßnahmen überwiesen. Neuerdings haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen begleitender Hilfen auch Anspruch auf Übernahme ihrer Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz, wodurch es auch Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf möglich werden soll, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle zu übernehmen.Die Integrationsämter (frühere Bezeichnung Hauptfürsorgestellen) haben die Aufgabe, die Ausgleichsabgaben zu erheben und über ihre Verwendung zu verfügen. Schwerbehinderte Beschäftigte haben einen besonderen Kündigungsschutz, weshalb die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf (§§ 85 ff. SGB IX). Jedem Integrationsamt ist ein Beratender Ausschuss angegliedert, der die Arbeit des Amtes zugunsten behinderter Menschen fördernd begleiten soll. Schwerbehinderte Beschäftigte werden in ihren Betrieben und Dienststellen in ihren Interessen und besonderen Anliegen durch eine Schwerbehindertenvertretung unterstützt. In Betrieben und Dienststellen mit wenigstens fünf schwerbehinderten Beschäftigten werden für jeweils vier Jahre eine Vertrauensperson und ihr Stellvertreter von allen schwerbehinderten Beschäftigten gewählt. Die Schwerbehindertenvertretung hat die Aufgabe, die Integration schwerbehinderter Menschen zu fördern, ihre Interessen zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen. Die Vertrauensleute sollen zugleich darüber wachen, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze und Verordnungen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen u. a. eingehalten werden. Die Schwerbehindertenvertretung hat ein umfangreiches Informations- und Beteiligungsrecht in allen Fragen, die einzelne oder die Gruppe schwerbehinderter Beschäftigter betreffen. Sie nimmt Anregungen und Beschwerden einzelner Kolleginnen und Kollegen entgegen und ist stellvertretend zu Verhandlungen mit dem Arbeitgeber berechtigt. Zusätzlich beraten und begleiten die Vertrauenspersonen auch in Fragen wichtiger Nachteilsausgleiche für Schwerbehinderte, vor allem über den Kündigungsschutz, über den jährlichen Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen (§ 125 SGB IX), herabgesetzte Altersgrenzen im Hinblick auf Rente und Pension, über begleitende Hilfen im Erwerbsleben sowie über Steuerfreibeträge und Vergünstigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln.Da es aufgrund gestiegener Qualifikationsanforderungen und verschärfter Konkurrenzbedingungen auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen seit Jahren schwierig ist, in geeignete und dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse überzugehen, wurden Integrationsfachdienste (IFD) neu etabliert (§ 109 ff. SGB IX), die sich bei der Durchführung von Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben aktiv beteiligen. Integrationsfachdienste werden im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit, der Integrationsämter und der Rehabilitationsträger tätig. Sie haben die Aufgabe, einerseits schwerbehinderte Menschen zu beraten, zu unterstützen und in Arbeitsplätze zu vermitteln und andererseits Arbeitgeber zu informieren, zu beraten und spezielle Hilfen zu leisten. In einem fachkompetenten und kontinuierlichen Prozess sollen schwerbehinderte Menschen sowohl beim Berufsstart als auch nach einer Phase der Arbeitslosigkeit systematisch an einen Arbeitsplatz herangeführt und bei der Einarbeitung begleitet werden, um eine möglichst dauerhafte Beschäftigung zu erreichen und diese zu sichern. Angesichts der zugespitzten Arbeitsmarktlage findet eine beträchtliche Zahl schwerbehinderter Menschen auch trotz abgeschlossener Berufsqualifizierung, hoher Berufsmotivation und Leistungsbereitschaft keinen adäquaten Arbeitsplatz. Ergänzend zu bestimmten Förderprogrammen der Bundesregierung (vor allem seit 2000: »50 000 Jobs für Schwerbehinderte«) und der Bundesanstalt für Arbeit sollen so genannte Integrationsprojekte (§ 132 ff. SGB IX) zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnen. Es kann sich dabei um rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen, Teilbetriebe oder Abteilungen von Unternehmen handeln. Um die Berufschancen behinderter Menschen zu verbessern, verfolgen die Integrationsprojekte auch die Aufgabe, qualifizierende und berufsvorbereitende Maßnahmen durchzuführen.Für behinderte Menschen, die wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, wurden die Werkstätten für behinderte Menschen eingerichtet (§ 136 ff. SGB IX). Die Werkstätten haben eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung mit einem leistungsbezogenen Arbeitsentgelt anzubieten. Ihre Aufgaben bestehen des Weiteren darin, die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen zu erhalten, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei die Persönlichkeit weiterzuentwickeln, wobei auch der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gefördert werden soll. Die Werkstätten stehen allen behinderten Menschen offen, soweit sie »nach Teilnahme an den Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeit erbringen werden« (§ 136 Absatz 2 SGB IX). Behinderte Menschen, die im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigt werden, haben keinen Arbeitnehmerstatus. Sie arbeiten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis auf der Basis eines Werkstattvertrages und sind in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung versichert. Sie haben heute Mitwirkungsrechte in gewählten Werkstatträten.In Deutschland gibt es gegenwärtig rund 1400 Werkstätten für behinderte Menschen mit ca. 200 000 Beschäftigten. Der Monatsverdienst beträgt durchschnittlich ca. 120. Ursprünglich waren die Werkstätten schwerpunktmäßig für Menschen mit einer geistigen Behinderung vorgesehen. Inzwischen hat sich das Beschäftigtenspektrum vor allem wegen gestiegener Qualifikationsanforderungen und aufgrund der zugespitzten Arbeitsmarktlage deutlich differenziert. Eine große Gruppe stellen heute Menschen mit psychischen Krankheiten. Aber auch Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, mit Hör- und Sehbehinderungen sowie Abgängerinnen und Abgänger von Sonderschulen für Lernbehinderte gehören zu den Beschäftigten. Die große Mehrheit der Werkstattbeschäftigten bleibt während der gesamten Zeit ihrer Erwerbstätigkeit in der Werkstatt. Nur einer sehr kleinen Gruppe gelingt der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Problematisch ist die Situation insbesondere für behinderte Menschen, die zu einer so genannten Grauzone zwischen allgemeinem Arbeitsmarkt und der Werkstatt gezählt werden. Denn trotz vorweisbarer Qualifikationen bleibt diesen behinderten Menschen der reguläre Arbeitsmarkt verschlossen und in der Werkstatt finden sie meist keine adäquate Arbeit mit entsprechender Entlohnung. Lösungen für diese Personengruppe bieten am ehesten Integrationsprojekte oder ausgelagerte Arbeitsfelder der Werkstätten.In Österreich gibt es den deutschen Rahmenbedingungen vergleichbare Schutz- und Leistungsregelungen für anerkannte behinderte Menschen (»begünstigte Personen« genannt). Ein Behinderteneinstellungsgesetz regelt als Bundesgesetz die berufliche Integration. Unternehmen (Dienstgeber) haben auf je 25 Dienstnehmer einen begünstigten Behinderten einzustellen. Wenn diese Pflichtzahl nicht erfüllt wird, ist eine Ausgleichstaxe zugunsten eines Fonds zu entrichten. Bundessozialämtern kommt eine Wegweiser- und Koordinierungsfunktion für die Beratung und gezielte Unterstützung von Menschen mit Behinderung zu. - In der Schweiz ist die Eingliederung von Personen, die durch angeborene Schädigungen, Krankheits- oder Unfallfolgen behindert sind, Aufgabe der Invalidenversicherung. Anspruch auf Rente (nach dem Invaliditätsgrad abgestuft) besteht erst, wenn die Eingliederung nicht möglich ist. Die Invalidenversicherung wird u. a. durch Beiträge der Erwerbstätigen finanziert.Georg Schmidt: S. u. ihr Recht (21997);Rehabilitation, S.-Recht, SGB-IX-Hb. (2001);* * *
Schwer|be|hin|der|te, der u. die (Amtsspr.): jmd., der schwerbehindert ist.
Universal-Lexikon. 2012.